Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO): Aufgepasst, wer ein Ferienhaus im Ausland besitzt
Bereits das ganz normale Erbrecht mit ausschliesslichem Inlandbezug kann komplex und für Laien nicht immer verständlich sein. Noch komplizierter wird die Angelegenheit, wenn Sie die meiste Zeit im Ausland verbringen oder Sie eine Liegenschaft im Ausland besitzen. Hierzu einige Tipps bei internationalen Verhältnissen:
Ein internationales Verhältnis liegt immer dann vor, wenn eine Person in einem fremden Staat verstirbt und/oder die verstorbene Person Vermögen in einem fremden Staat hinterlässt.
Als erstes stellt sich die Frage, welcher Staat für die Abwicklung des Nachlasses zuständig ist (Frage nach der internationalen Zuständigkeit).
In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, welches Staatsrecht anzuwenden ist (Frage nach dem anwendbaren Recht).
Verstirbt eine Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, sind aus Schweizer Sicht die schweizerischen Behörden zuständig und werden das Schweizer Erbrecht anwenden (gesetzliche Erbfolge, Pflichtteile etc.). Diese Grundsätze sind im Bundesgesetz über das internationale Privatrecht der Schweiz (IPRG) festgehalten. Trotz der irreführenden Bezeichnung „internationales Privatrecht“ handelt es sich dabei ausschliesslich um nationales Schweizer Recht, sprich es ist keine Vereinbarung mit anderen Staaten.
Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, bestehen mit einzelnen Staaten sogenannte Staatsverträge (Vertrag zwischen zwei Staaten) in denen diese Fragen abweichend zum CH-IPRG geregelt sind. Solche Staatsverträge gehen dem CH-IPRG vor. Hier zu erwähnen ist insbesondere der Staatsvertrag mit Italien. Die hier ausgeführten Punkte gelten also nicht für Erbschaften mit Bezug zu Italien.
Analog zum CH-IPRG gibt es im EU-Raum seit 2015 die EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Die EuErbVO legt aus Sicht der EU-Staaten fest, welcher Staat für die Abwicklung des Nachlasses zuständig ist und welches Staatsrecht auf die Erbschaft Anwendung findet.
Verstirbt eine Person mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU-Staat, sind die dortigen Behörden zuständig und wenden grundsätzlich das eigene Staatsrecht an. Gleichzeitig sieht die EuErbVO aber auch eine Zuständigkeit in der EU vor, wenn die Person zwar in einem Drittstaat (z.B. der Schweiz) verstorben ist, die Person aber Vermögenswerte in einem EU-Staat hinterlässt. Anwendbar ist aber das Staatsrecht des letzten Wohnsitzes.
Verstirbt also eine Schweizer Bürgerin mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und einem Ferienhaus in Frankreich, sind aus schweizerischer Sicht die Schweizer Behörden zuständig und wenden ausschliesslich Schweizer Recht.
Da die Verstorbene noch Grundeigentum in Frankreich besass, erachten sich gleichzeitig auch die französischen Behörden als zuständig, müssen aber Schweizer Recht anwenden.
Nebst der bürokratischen Ebene können die Unterschiede zwischen CH-IPRG und EuErbVO aber auch zu deutlich weitreichenderen Folgen führen.
Insbesondere die nicht deckungsgleichen Begriffe „letzter Wohnsitz“ und „letzter gewöhnlicher Aufenthalt“ können zu unterschiedlichen Betrachtungsweisen führen.
Verbrachte die Schweizer Bürgerin aus dem vorherigen Beispiel durchschnittlich 9 Monate des Jahres in Frankreich und die restlichen 3 Monate in der Schweiz (ohne dadurch den Wohnsitz in der Schweiz aufzugeben) bestehen allenfalls zwei Anknüpfungspunkte.
Zum einen erachten sich die Schweizer Behörden aufgrund des letzten Wohnsitzes für zuständig und wenden Schweizer Recht an. Zum andern erachten sich die französischen Behörden aufgrund des letzten gewöhnlichen Aufenthalts (meiste Zeit in Frankreich) ebenfalls als zuständig und wenden das französische Erbrecht an. Massgebend für die Beantwortung der Frage, welches Recht in solchen Fällen angewendet wird, ist welcher Staat die Erbschaftsabwicklung zuerst behandelt.
Damit Sie diese Rechtsunsicherheit nicht haben, raten wir Ihnen, Ihr Erbrecht durch ein Testament zu regeln. Darin können Sie insbesondere das anzuwendende Recht (im Beispiel zuvor Schweizer oder französisches Recht) explizit wählen. Auf diese Weise können Sie schwierige Rechtsfragen für Ihre Erben vermeiden.