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Rächtzytig

Rückerstattung von Ergänzungsleistungen durch die Erben

By 8. Juni 2025No Comments

Rückerstattung von Ergänzungsleistungen durch die Erben

Nina Sterchi, Notarin
Nicole Seiler, MLaw, Anwaltskandidatin

Erbinnen und Erben sind verpflichtet, Ergänzungsleistungen an die Ausgleichskasse zurückzuzahlen, sofern der Nachlass den Freibetrag von CHF 40’000.00 übersteigt. Bis anhin war nicht vollständig geklärt, wie sich der Nachlass berechnet. Im Urteil 8C_669/2023 vom 1. April 2025 (zur amtlichen Publikation vorgesehen) hat das Bundesgericht nun entschieden, welche Passiven/Schulden vom Nachlass abzuziehen sind.

Ergänzungsleistungen kurz erklärt

Die Ergänzungsleistungen (EL) sichern den Bezügerinnen und Bezügern von Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrenten, die nicht in der Lage sind, ihre Lebenshaltungskosten zu decken, ein angemessenes Einkommen. Mit diesem bewährten System tragen die EL dazu bei, Armut in der Schweiz zu verhindern.

Grundvoraussetzung für eine EL ist eine AHV-Rente, IV-Rente oder eine Hilflosenentschädigung. Zudem muss die Person Wohnsitz in der Schweiz haben und ihre Lebenshaltungskosten müssen über ihrem Einkommen liegen. Seit der EL-Reform im Jahr 2021 erhalten nur Personen mit einem Vermögen unter CHF 100’000.00 eine EL.

Die Rückerstattungspflicht der Erbinnen und Erben

Mit der Einführung von Art. 16a des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) im Jahr 2021 werden Erbinnen und Erben verpflichtet, rechtmässig bezogene Leistungen nach dem Tod der Bezügerin oder des Bezügers an die Ausgleichskasse zurückzuzahlen, sofern das Erbe einen Freibetrag von CHF 40’000.00 übersteigt. Aus dem Gesetz geht im Einzelnen nicht hervor, wie sich der Nachlass berechnet.

Definition des Nachlasses gemäss Entscheid 8C_669/2023 vom 1. April 2025 des Bundesgerichts

Im vorliegenden Fall hatte das Bundesgericht folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Die Erblasserin lebte ab Mai 2018 in einem Seniorenheim und bezog ab November 2018 EL zusätzlich zu ihrer AHV-Rente. Nachdem sie im Januar 2022 verstarb, forderte die Ausgleichskasse die erbrachten Leistungen von den drei Erben zurück. Dagegen erhoben die Erben Beschwerde und brachten vor, dass der Nachlass falsch berechnet worden sei. Die Ausgleichskasse habe bei der Berechnung des Nachlasses die Todesfallkosten und die Kosten des Seniorenheims – bestehend aus der letzten Miete, der Schlussreinigung, und der Todesfallpauschale – nicht berücksichtigt. Der Rückforderungsbetrag sei um diese Kosten zu reduzieren.

Konkret hatte das Bundesgericht festzustellen, welche Schulden vom Nachlass i.S.v. Art. 16a ELG abzuziehen sind und welche nicht. Dies ist für die Erben insofern von Relevanz, da die Höhe des Rückerstattungsbetrages davon abhängt, wie hoch der Nachlass ist.

Um festzustellen, welche Schulden abzugsfähig sind, ist zentral, zu welchem Zeitpunkt die Schulden auftreten. In dieser Hinsicht unterscheidet das Bundesgericht im hier besprochenen Urteil zwischen den Erbschafts– und den Erbgangsschulden:

  • Erbschaftsschulden sind beim Tod der Erblasserin vorhanden und haben ihren Ursprung somit bereits zu Lebzeiten. Sie gehen mittels Gesamtnachfolge im Augenblick des Todes auf die Erben über. Erbschaftsschulden sind für die Berechnung des Nachlasses zu berücksichtigen und werden von den Nachlassaktiven abgezogen.
  • Erbgangsschulden sind die Passiven, die erst mit dem und aus Anlass des Erbgangs – somit nach dem Todestag – entstehen. Deshalb stellen die Erbgangsschulden keine Schulden der Erblasserin dar, sondern solche der Erben, welche dafür solidarisch haften. Erbgangsschulden sind bei der Berechnung des Nachlasses nicht zu berücksichtigen.

Das Bundesgericht hatte nun die Frage zu beantworten, wie die von den Erben vorgebrachten Schulden einzuordnen sind:

  • Bei den Todesfall- und Bestattungskosten handelt es sich ohne Zweifel um Erbgangsschulden; d.h., diese Kosten bleiben bei der Berechnung des Nachlasses unberücksichtigt.
  • Anders sieht es bei den Kosten für das Seniorenheim aus: Die in Rechnung gestellten Dienstleistungen erwachsen aus dem Heimvertrag zwischen der Erblasserin und dem Seniorenheim, welcher zu Lebzeiten abgeschlossen wurde. Folglich handelt es sich um Schulden der Erbschaft bzw. der Erblasserin selbst (Erbschaftsschulden). Diese Schulden sind bei der Bestimmung des Nachlasses als Passiven zu berücksichtigen.

Im Ergebnis hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Erben teilweise gut. Die Vorinstanz hat die geltend gemachten Heimkosten zu Unrecht nicht vom Nachlass in Abzug gebracht. Der Rückforderungsbetrag griff damit in den Freibetrag von CHF 40’000.00 ein, weshalb das Bundesgericht den Rückforderungsbetrag entsprechend reduziert hat.

Fazit

In den Ausführungen des Bundesgerichts wird deutlich, dass die Erbschaftsschulden vom Nachlass (i.S.v. Art. 16a ELG) in Abzug gebracht werden müssen; zu den Erbschaftsschulden gehören u.a. die Kosten für das Seniorenheim. Das letzte Wort ist indes noch nicht gesprochen; die Gerichte werde sich voraussichtlich vermehrt mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es sich bei den Passiven/Schulden um Erbgangs- oder Erbschaftsschulden handelt.

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